Wird es Impfpflicht für Arbeitnehmer geben?

Die Impfungen gegen eine Covid-19-Infektion haben bereits begonnen. Zwar gibt es keine Impfpflicht im Allgemeinen, aber wie sieht es bei Arbeitnehmern aus? Die kurze Antwort: Nein. Warum dies so ist und womit ansonsten zu rechnen ist, erfahren Sie in diesem Artikel.

Impfpflicht – die Gesetzeslage

Welche Menschen in welcher Reihenfolge eine Impfung beanspruchen können, wird in der “Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2” definiert. Eine Impfpflicht wird jedoch nicht erwähnt. Da eine Impfung einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellt, könnte das auch nur durch ein entsprechendes Gesetz geregelt werden. Grundsätzlich wäre dies allerdings möglich, wie das Beispiel des Urteils zu Pockenschutzimpfungen im Jahr 1959 schon zeigte. Darüber hinaus wird im sog. Infektionsschutzgesetz (IfSG) – § 20 Abs. 6 S. 1 – ein Gesetz erwähnt, das es ermöglicht, dass “bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist.” Zurzeit gibt es allerdings noch keine Informationen darüber, dass die Politik eine Einführung einer solchen gesetzlichen Impfpflicht für das Corona-Virus geltend macht.

Können Personen zur Untersuchung verpflichtet werden?

Obwohl eine Verpflichtung zur Impfung gegen Covid-19 im öffentlichen Recht nicht besteht, wird im Privatrecht eine direkte Veranlassung zur Impfung bereits diskutiert. Etwa wird in der Gastronomie oder anderen Einrichtungen überlegt, nur noch geimpfte Kunden zu bedienen oder gar die Räumlichkeiten betreten zu lassen.

 

Impf- oder Untersuchungspflicht im Arbeitsrecht – geht das?

Im Arbeitsrecht galten bisher Befragungen oder auch Fiebermessungen von Arbeitnehmern nach dem Aufenthalt in Risikogebieten als rechtens. Dies wird durch die Schutzpflicht des Arbeitgebers für seine Mitarbeiter begründet, welche in diesem Fall über dem Persönlichkeitsrecht der jeweiligen Person sowie über dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) steht. Zudem kann – bei Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit – eine Durchführung von Untersuchungen oder die Offenbarung des Ergebnisses durch Tarifverträge verlangt werden. Das wurde vom Bundesarbeitsgericht festgelegt: BAG, Urt. v. 25.1.2018, Az. 2 AZR 382/17.

Entsteht Impfpflicht durch das Direktionsrecht?

Das Direktionsrechts gem. § 106 Gewerbeordnung (GewO) ermöglicht dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer weitere Einzelheiten außerhalb des Arbeitsvertrags zum Erreichen von Arbeitsleistungen anzuweisen. Aber reicht das aus, um eine Impfpflicht zu rechtfertigen? Dagegen spräche zunächst das Recht auf körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) sowie die Handlungsfreiheit des Einzelnen. Betrachtet man den Fall eines 20-Jährigen Mitarbeiters, ist dies auch nachzuvollziehen. Häufig kommt es jedoch vor, dass Arbeitnehmer höheren Alters auf eine Zusammenarbeit mit jüngeren Kollegen angewiesen sind. In diesem Fall betrachtet sich die Situation wiederum ganz anders, da eine Sars-CoV2-Infektion bei einem 60-Jährigen durchaus lebensbedrohlich sein kann.

Keine Impfpflicht durch das Direktionsrechts
Da das Direktionsrecht sich auf das Erreichen von Arbeitsleistungen in dienstlichem Rahmen beschränkt, entsteht hierdurch keine Grundlage für eine Impfpflicht. Die Impfung ist kein dienstliches Verhalten, weshalb der Arbeitnehmer hier grundsätzlich frei entscheiden darf. Die einzige Möglichkeit einer Impfpflicht für Arbeitnehmer wäre schlicht und einfach die gesetzliche Impfpflicht. In diesem Fall hätte der Arbeitgeber die möglich, dem oder der Betroffenen fristlos zu kündigen.

Ist der Arbeitsvertrag eine Grundlage zur Impfpflicht?

Auch eine Regelung im Arbeitsvertrag sollte nicht durchsetzbar sein. In diesem Fall würde man die AGB Regelung (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB) heranziehen, da der Arbeitnehmer hier als Verbraucher klassifiziert werden würde. Weitergehend hätte man eine unangemessene Benachteiligung, da dies in Bezug auf die Grundrechte des Arbeitnehmers gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB “mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist“.

Aber: Beschränkungen für ungeimpfte Arbeitnehmer möglich
Trotz der nicht zu rechtfertigenden Impfpflicht in Arbeitsverträgen spricht einiges dafür, dass Arbeitnehmer in einer Einrichtung bestimmten Beschränkungen unterliegen, wenn sie nicht untersucht, geimpft sind oder keine Maske tragen. Etwa der Zutritt zu bestimmten Räumen wie der Cafeteria könnte ungeimpften Arbeitnehmern verwehrt werden. Möglich ist dies durch entsprechende Arbeitsschutzvorgaben. Hier erfahren Sie mehr zum Arbeitsschutz und Arbeitsschutzstandard während Corona.

Impfpflicht für Pflegepersonal in Krankenhäusern, Pflegeheimen & CO.?

Es lässt sich nicht leugnen, dass die Relevanz einer Impfung in Einrichtungen wie Altenpflegeheimen oder Krankenhäusern durchaus höher ist. Jedoch ist selbst in diesem Fall eine strikte Anweisung zur Impfung gegen das Coronavirus rechtlich kaum denkbar. Indirekt wäre es jedoch möglich, das Pflegepersonal zur Impfung zu veranlassen. Impfverweigerern kann nämlich personenbedingt gekündigt werden, wenn sie durch die Eigenschaft des nicht-geimpften Zustands für eine vertragsgerechte Beschäftigung nicht (mehr) infrage kommen.

Impfpflicht für Arbeitnehmer – Ausblick für 2021

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass aus rechtlicher Sicht keine direkte Impfpflicht für Arbeitnehmer veranlasst werden kann. Im Falle von Arbeitsumgebungen mit einem erhöhten Infektionsrisiko lässt sich hingegen diskutieren, ob Impfverweigerern wegen Nichteignung gekündigt werden kann. In der Tat sieht die Rechtsprechung dies als einen zureichenden Grund an. In jedem Fall sollte der Sachverhalt konkret differenziert werden. Aus dieser Notwendigkeit heraus lässt sich schließen, dass Arbeitsgerichte im Jahr 2021 einige solcher Fälle vorliegen haben und entscheiden müssen, was zulässig ist und was nicht.

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Sollten Sie konkrete Fragen zur Arbeit im Home Office, zu Arbeitsschutzgesetzen oder zum Arbeitsvertrag haben, können Sie uns gerne kontaktieren und einen Beratungstermin in unserer Kanzlei in Kreuztal bei Siegen vereinbaren.

 

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